17
Jun
2005

Platon: Phaidros

Medienbrüche bringen notwendigerweise Euphorie und Ablehnung. Mein Lieblingsbeispiel für Bewahrpädagogik und ihrer Argumentation ist Platon, wenn er sich als Meister des gesprochenen Wortes gegen das "Neue Medium" Schrift wendet.

Als er aber an die Buchstaben gekommen, habe Theuth gesagt: Diese Kunst, o König, wird die Ägypter weiser machen und gedächtnisreicher, denn als Mittel für Erinnerung und Weisheit ist sie erfunden. Jener aber erwiderte: O kunstreicher Theuth, einer weiß, was zu den Künsten gehört, ans Licht zu bringen, ein anderer zu beurteilen, wieviel Schaden und Vorteil sie denen bringen, die sie gebrauchen werden. So hast auch du jetzt als Vater der Buchstaben, aus Liebe das Gegenteil dessen gesagt, was sie bewirken. Denn diese Erfindung wird den Seelen der Lernenden vielmehr das Vergessen einflößen aus Vernachlässigung der Erinnerung, weil sie im Vertrauen auf die Schrift sich nur von außen vermittels fremder Zeichen, nicht aber innerlich sich selbst und unmittelbar erinnern werden. Nicht also für die Erinnerung, sondern nur für das Erinnern hast du ein Mittel erfunden, und von der Weisheit bringst du deinen Lehrlingen nur den Schein bei, nicht die Sache selbst. Denn indem sie nun vieles gehört haben ohne Unterricht, werden sie sich auch vielwissend zu sein dünken, obwohl sie größtenteils unwissend sind, und schwer zu behandeln, nachdem sie dünkelweise geworden, statt weise

16
Jun
2005

Zwei Diskussionskerne

DisKUSSionskern1
Mediensysteme sind ausreichend komplex, um emergente Eigenschaften zu entwickeln – Gegenposition: Emergenz bei Mediensystemen entsteht erst durch ihre Koppelung an soziale Systeme bzw. kognitive Systeme/Subjekte

DisKUSSionskern2
Technische Medien sind eine Erweiterung der Vergegenständlichung von Menschen (Cyberidentities...) und auch eine Erweiterung seiner Kommunikationsmöglichkeiten – Gegenposition: Technische Medien schränken auch den geübten User auf technische Handlungsschemata ein, während sie den Technikverweigerer ganz aus den kommunikativen Prozessen ausschließt

Face to Interface

Auf das Wissensgebiet des Militärs müssen wir uns auch begeben, um eine Maschine- Maschinekommunikation näher betrachten zu können. Denn das wohl auffälligste einer formalisierten Maschinensprache ist ihre Befehlsstruktur. Und darüber sollten uns auch die schönsten Interfaces nicht hinwegtäuschen: Wer aus der Arbeit mit komplexen Maschinen nutzen ziehen möchte, muss sich diese Befehlsstruktur einfügen. Ein Mausklick kann zwar als Befehl an die Maschine verstanden werden etwas Bestimmtes zu tun, er ist umgekehrt aber auch eine nicht umgehbare Handlungsanweisung an den User, wie er seine Begehrlichkeiten zu stillen hat.

Warum Angst vor Technik?

Was ist nun mit der Technik?
Ist Technik wirklich nur ein Pool unermesslicher Möglichkeiten?
Um diesen Komplex adäquat behandeln zu können, muss man wohl auf die militärische Genealogie von Medien- und Computertechnik zurückgreifen. Dieser eigenartige Bezugspunkt soll hier durch ein Zitat aus: Maresch Rudolf: Medienwissenschaft: Soziale Systeme oder Nachrichtentechnik? stw 1408 verständlich gemacht werden: „Denn was das Militär an Kommando- und Kontrolltechniken für sehr komplexe strategische und taktische Operationen entwickelt hat, läßt sich ... in geeigneter Weise adaptieren für zivile Systeme der Steuerung und Verwaltung.“

Wie Axel Roch und Berhard Siegert darlegen, ging es während und nach dem zweiten Weltkrieg dem National Defense and Research Comittee um das Problem, wie das prinzipiell unerreichbare „Andere“ – in diesem Fall ein sich bewegendes Flugobjekt – zielpunktgenau verfolgt und abgefangen werden kann. Claude E. Shannon und Norbert Wiener kamen dabei zu unterschiedlichen Lösungsvorschlägen:

a. Bei Wiener ist das „trunkene Bewußtsein“ das Ziel, dessen zukünftige Bewegungen (virtuelle Realität) er mit statistischen Zeitreihen und mathematischen Kalkülen zu treffen hoffte.

b. Shannon dagegen bezog sich nicht auf einen unberechenbaren Piloten, sondern auf die materiellen Möglichkeiten der Flugmaschine (es geht also um die Beziehung Maschine-Maschine). Er bevorzugte dabei geometrische Parameter wie Geschwindigkeit und zerlegte die zu erwartenden Flugbahnen in Segmente die der Pilot aufgrund der definierten Flugeigenschaften einschlagen musste (dies ist ein Beispiel wie durch determinierende technische Eigenschaften einer Maschine die Handlungsmöglichkeiten des eigentlich nicht berechenbaren Bewußtseins eingeschränkt d.h. aber auch grundsätzlich vorhersagbar werden.)

und noch einmal Luhmann

Für ein ausgewogenes Bild sollten wir also nach einem Medientheoretiker einen Systemtheoretiker zu Wort kommen lassen:
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ (Niklas Luhmann: Die Realität der Massenmedien, Opladen1996 S.9)

Nach althergebrachter Vorstellung ist alle Erfahrung vermittelt d.h. auch medial. Deshalb ist es denkbar, dass ein dominantes Mediensystem Erfahrung bis zur Grenze der Ausschließlichkeit strukturiert. Was so hart klingt ist es in systemtheorethischer Vorstellung gar nicht. Da für den Beobachter Welt und Wirklichkeit prinzipiell unzugänglich ist, sind es auch die Mediensysteme. Für die Steuerung, aber mehr noch für die reale Vermachtung von Medien bräuchte es aber diesen unmittelbaren Zugang. So wesentlich es sein mag, auf Mediensysteme auf Basis plausibler Vorstellungen Einfluss zu nehmen, so sind eben diese Vorstellungen nur Beschreibungen bzw. Gerüchte über diese Mediensysteme, und nicht „das Ding an sich“. Für die Soziologie stellen daher technische Entwicklungen immer eine Erweiterung der Möglichkeiten dar.

Die Unmöglichkeit der absoluten Vermachtung, dargestellt an einem Beispiel:
One-to-many Kommunikation mittels eines Massenmediums:

Sender- Technik Publikum-
Informationsgeber Informationsnehmer

Die Steuerungsmöglichkeiten von Seiten des Informationsgebers sind gering, da der Informationsnehmer durch das Dazwischenkommen von Technik anonym bleibt. Ausserdem ist die Fähigkeit der autonomen Selektion des Informationsnehmers ein nicht vorhersehbarer Faktor für den Sender. Um ökonomisch erfolgreich zu sein, ist Kommunikation erforderlich; der Sender wird versuchen mittels Massenpolitiken (Meinungsumfragen, Marktforschung, Zielgruppenanalysen...) diese Kommunikation in Gang zu halten, und seine Kommunikate auf Basis dieser Rückkoppelung anpassen. Eine Nachricht von System zu System muss nach konstruktivistischer Auffassung scheitern, da nur der User entscheidet, ob eine Nachricht ankommt oder nicht.

Theoriegeschichte

Eine kleine Theoriengeschichte des 20. Jahrhunderts:
Eine besonders prägende Art der Modell- und Thesenbildung des 20. Jhts. kommt aus dem technischen Bereich – Die Kybernetik. Sie ermöglicht es Modelle zu entwickeln, die eine Verifikation/Falsifikation anhand der Funktionalität der Modelle zulässt. Mithilfe der Kybernetik ließen sich aber nicht nur technisch/physikalische Thesen untermauern, es konnten auch biologische Vorgänge dargestellt werden (Beispiel: Biologisch:Homöostase – Technisch:Thermosstat).
Zwei Kinder der Kybernetik kämpfen heute um das Erbe als Leittheorie für die Beschreibung sozialer Phänomene: Die Medientheorie und die Systemtheorie.

Kittler

Friedrich A. Kittler und das Verhältnis von Mensch und Technik

Der deutsche Literaturwissenschaftler und Medientheorethiker Friedrich A. Kittler ist ein prominenter Vertreter jener Richtung, die Medientechnik und ihre Entwicklung systemisch abgeschlossen und damit nicht in einem unmittelbaren Bezug zum Menschen betrachtet.
Zitat: „Weil Werkzeuge immer von ihrem Benutzer her definiert sind, bliebe es beim alten Denkschema, das Maschinen grundsätzlich vom Menschen her denkt und die Umkehrung, dass nämlich Menschsein durch die verfügbaren Maschinen definiert wird, gar nicht erst in Betracht zieht.“ (aus F.A. Kittler: Farben und/oder Maschinen denken)

Ausgehend von der Annahme, das grundsätzlich Maschinen von Maschinen gebaut, programmiert, gewartet und beobachtet werden können ist es möglich, technische Systeme anders als als Teilsysteme der sozio-kulturellen Entwicklung zu sehen.
Apokalyptisch ist dieser Standpunkt deshalb zu bezeichnen, da er in letzter Konsequenz die nach nachrichtentechnischem Paradigma ablaufenden maschinelle Kommunikation als schärfer bzw genauer beschreibt, und sie so den nach hermeneutischem Paradigma ablaufenden menschlichen Kommunikation überlegen sieht. So werden Computernetzwerke als perfekte Aufschreibesysteme gekennzeichnet, in denen der Mensch nur mehr die Aufgabe hat, die Kommunikate nach außen weiterzuführen, damit der Prozess in Gang gehalten wird. Nach Kittler ist es sogar vorstellbar, dass auch diese Funktion durch Technik ausgeführt wird.

Hype or Die

Nun kennen wir die „Integrierten“ gut; nicht nur aus ökonomischen Gründen wird für neue Medien geworben – an jede neue Form, an jede neue Möglichkeit der Kommunikation binden sich natürlich Hoffnungen, dass ein ideales Diskursmodell mit gerechten Teilnahmebedingungen wenigsten im Ansatz verwirklichbar ist. Wenn man aber immer wieder mit dem (Zukunfts-) Bild eines demokratischen und Demokratie verwirklichenden Kommunikations- und Mediennetzes konfrontiert wird, so fragt man sich manchmal, wo eigentlich die „Apokalyptiker“ sind. Deshalb möchte ich hier eine für die Medienwissenschaft wichtige Gegenposition zum Mainstream des Diskurses vorstellen. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist Friedrich A. Kittler.

Einleitung

In der Soziologie sind die jeweilig vorherrschenden Leitmedien wichtige konstituierende Elemente sozialer Systeme. So verwundert es nicht, dass auch die sogenannten Neuen Medien, im besonderen aber das Internet im Interessensgebiet sozialer Forschung liegen. Je nach Betrachtungsstandpunkt werden diese Medien unterschiedlich beschrieben, ja es ändern sich auch die für Thesenbildung und für Prognosen wichtigen Zuschreibungen. Einen lesenswerten Ansatz zu den historischen Bedingungen dieser ambivalenten Haltung der Wissenschaft zu den jeweils neuen Medien ist in Umberto Ecos Aufsatz „Apokalyptiker und Integrierte“ (1964 pupliziert!) zu finden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass diese Pole in der Theoriebildung auch Abbild von Polarisierung im „common sense“ eines sozialen Systems sind. Eco gelingt es in seiner berühmt gewordenen pointierten Ausdrucksweise darzustellen, dass Veränderung der kulturellen Werkzeuge (und damit des jeweiligen Leitmediums) notwendigerweise Euphorie und Abwehr auslösen. Beiden Standpunkten ist gemein, dass sie aus einer historischen Position heraus argumentieren und unter konsequenter Ausblendung des Status Quo in die Zukunft projezieren. (Zum besseren Verständnis: Diese Spaltung bei der Beurteilung von Veränderung ergibt sich nur aus einer gespaltenen Sicht des Vorgängigen:
a. Ist das Vorgängige gut, kann die Veränderung nur schlecht sein,
b. Ist das Vorgängige ungenügend, kann Veränderung nur gut sein.)

Ein Beispiel, um diese Denkfigur zu illustrieren:
Leitmedium der bürgerlichen Gesellschaft war das Buch. Um 1920 beginnt das Radio als erstes elektronisches Massenmedium diese Position einzunehmen. Nun tauchen tatsächlich zwei historisch argumentierende Positionen im Diskurs über dieses neue Medium auf.
Wird das Buch als Träger von Wissen und Bildung positiv bewertet, so wird im Umkehrschluss das Radio negativ für Bildungsprozesse gesehen.
Ist das Buch Symbol für eine elitäre Minderheit, so knüpfen sich an das neue Medium Radio Hoffnungen der Öffnung und Demokratisierung von Bildungsprozessen.

Links und Textesammlung

Was von Friedrich A. Kittler

Was ist Emergenz?

Medien und Macht

Was Luhmann dazu sagt

Kulturgeschichtliches von Michael Giesecke

Das Projekt MEMEX und das Vergessen in der Wissenschaft

Transformation der Massenmedien

Online-Bibliothek (echt supa - ein wiki)

15
Jun
2005

emergierende Migräne

Alles scheint auf den Neuenmedienzug aufspringen zu wollen -ich natürlich auch - deswegen studiere ich auch Medienpädagogik - meine Kopfschmerzen kommen aber nicht von zu langen Onlinezeiten - sie kommen von einem Thema, dass mich verwirrt - Medienemergenz - jetzt versuche ich einmal über ein Blog ein wenig zu sammeln - Beiträge und Kommentare und so - vieleicht sieht es in ein paar Wochen besser aus - danke für jede Hilfe -
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